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Festival de Cannes: Meine Erfahrungen beim Filmfestival

Cannes 2017 Impressionen

Wer in Cannes auf Begegnungen mit den großen Schauspielern hofft, wird manchmal enttäuscht. Zumeist sind es Models, die über den roten Teppich laufen, vermutlich, weil Firmen wie L’Oréal sie sponsoren. Die Filmstars kommen nur noch in auffälligen Grüppchen, um ihre Filme vorzustellen. Die Größe früherer Zeiten erreichen die heutigen „Sternchen“ schon lange nicht mehr. Einen letzten, flüchtigen Blick konnte ich 2008 erhaschen, als Sophia Loren in der Lobby des Ritz-Carlton Hotels auftauchte, eine der letzten Grandes Dames des Kinos. 2017 war es immerhin die Legende Clint Eastwood, die das Festival in Atem hielt, aber es schien so, als werde er dort vor allem für seine Errungenschaften als Regisseur gefeiert.

Ein paar Cannes-Impressionen im Video.

Rückblende: Die französische Riviera erreichte ich zwei Tage vor dem Festival. Das kleine Küstenstädtchen wirkte wie ausgestorben. In vielerlei Hinsicht erinnert es mich an Karlsruhe, mit der Ausnahme, dass die badische Metropole nicht am Meer liegt und keinen Bambi Filmpreis mehr hat. An der Hauptstraße in Cannes befindet sich ein Laden für Gehstöcke, was sehr viel über seine Residenten verrät. Das Nachtleben vor dem Festival ist quasi nicht existent. Für zwei Wochen wird es jedes Jahr von Fremden aus aller Welt okkupiert und in eine schillernde Erfahrung verwandelt.

Vorbereitung auf Cannes

Wer beim Festival de Cannes eine gute Zeit erleben will, muss sich vorbereiten. Es reicht nicht aus, hinzufahren und auf das Beste zu hoffen. Einladungen für besondere Veranstaltungen werden im Vorfeld geklärt, vor Ort ist es schon zu spät. Am Ende jedes Festivaltages treffen sich alle ohne Einladung am Petit Majestic: Quasi eine große Cocktailparty auf der Straße, hinter dem Grand Hotel.

Besonders wichtig während des Festivals ist das Essen. Mal eben ein Sandwhich an der Imbissbude mitnehmen befriedigt schließlich nicht auf Dauer. Ausdrückliche Restaurant-Empfehlungen von mir sind Le Crillon (nahe dem Palais de Festival), Marina Caffee (nach dem MacDonald’s) und Le Maï Thaï (hinter dem Grande Majestic). Die Beste Eiscreme gibts außerdem bei Gelato Junkie – The Taste of French Riviera.

Empfänge & Partys in Cannes

Das Wichtigste an Festivals ist das Netzwerken. In den letzten Jahren war es für mich geprägt durch Kontakte aus Großbritannien und den USA. Mark Brown & David Whitney habe ich bereits beim Filmfestival Independent Days in Karlsruhe kennengelernt, als ich ihren Kurzfilm CORINTHIAN anmoderierte. Christian Cashmir aus den USA begegnete ich beim St. Petersburg Clearwater Pavilion und sah mir seine Webserien-Premiere BTS (Behind the Scenes) an — Eine geniale Mischung aus Stromberg und Entourage, über die Irrwege einer Produktionsfirma.

Einer der besten Empfänge ist jedes Jahr der von „Women in Entertainment“. Wie Jurymitglied Jessica Chastain nicht müde wird zu betonen, ist die Darstellung von Frauen in Filmen immer noch sehr fragwürdig. Ob das wirklich nur darauf zurückzuführen ist, dass so wenige Frauen in der Entertainment-Branche arbeiten, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass wir mehr Geschichten mit starken Frauenfiguren brauchen.

Masterclasses in Cannes

Die Masterclasses sind immer zu empfehlen. Alfonso Cuaron, der Regisseur von HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN, hatte viele wertvolle Dinge zu erzählen über seine Anfangszeit, seinen Arbeitsprozess und wie er die Zukunft der Branche wahrnimmt. Die Veranstaltung wurde schließlich von Guillermo del Toro gecrasht, mit dem ich ein 3D-Foto machen konnte (Alfonso im Hintergrund).

Filme in Cannes

Wer nach Cannes fährt, um beruflich voranzukommen, wird nicht viele Filme sehen. Ein paar möchte ich trotzdem jedes Jahr einfangen. GOOD TIME von den Safdie-Brüdern ist so ein kleiner, aber feiner Film, an den man sich noch Jahre später erinnern wird. Eine solide schwarze Komödie über einen Verbrecher, der seinen geistig behinderten Bruder aus dem Gefängnis holen will, was sich für ihn aber schnell in eine Odyssee verwandelt.

Mein Fazit

Zwei Wochen lang schien ununterbrochen die Sonne. Ich habe viele neue Leute kennengelernt und hatte eine Menge Spaß. Cannes ist jedes Mal eine tolle Erfahrung. Jedem, der sich dafür interessiert, kann ich das Festival nur wärmstens empfehlen. Vielleicht sehen wir uns ja im nächsten Jahr.